Roman „Espresso danach“ von Antje Schweinfurth


Ganz schön abgedreht! Diese Frau, diese Meridith, oder wie die schon heißt, ist in
einer Boutique angestellt, wartet auf exquisite Kundinnen, sortiert, räumt auf,
staubsaugt, bittet Mutter Erde um einen guten Tag und hört dabei buddhistische
Mönchs-CDs.

Meridith scheint ganz speziell, wie ihr Name. Und sie sagt von sich: “Ich bin
wunderschön, aber ich bin fast achtundvierzig – was für ein Gefühl.“ Sie will gerade
ihr Leben aufschreiben, als sie ihre Chefin rausschmeißt: „Meridith, ich habe nichts
gegen dich, aber unsere Energien passen einfach nicht zusammen. Vielleicht bin ich
zu dominant oder du zu dominant.“

Hört sich an nach unnötigem Stress, nach Midlife-Crisis. Was soll das hier jetzt mit
dem Aufschreiben werden? Oje, wie in diesen Soaps …

Denkste! Von Seite zu Seite fesselt das Buch mehr und mehr, gerät man
unversehens von einer Verwicklung in die nächste und verstrickt sich in Geschehen,
die weiblichen wie männlichen Lesern die filmmüden Augen öffnen. So anziehend,
witzig und gewitzt erzählt, erscheint Alltägliches völlig neu. Ehe, Kinder, Familie,
Leidenschaft, Kunst, ja, auch um Liebelei und Liebe kommt man dabei nicht herum.
Zum Lachen und zum Weinen. Das kann nur Literatur.

Wie die Autorin Antje Schweinfurth eins aus dem anderen erzählt, sich bei Meridith
Geschichte an Geschichte an Geschichte fortspinnt, erinnert auch im Phantastischen
an Traditionen von Tausend und einer Nacht.

Brisant: Ihr Roman „Espresso danach“ bringt wie beiläufig unkonventionelle
ostdeutsche Perspektiven zum Ausdruck, über die in dieser Intimität öffentlich nur
selten oder noch gar nicht gesprochen wird. Lebensgefühle, deutsch-deutsche, ein
Vierteljahrhundert nach der Wende. Ein Roman zur rechten Zeit: Wild. Mal
nachdenklich. Öfters irritierend. Ungeschminkt lebensnah und liebend.


Dr. Peter Ludwig, Literaturwissenschaftler, Dudweiler Saar